Strahlentherapie der Brust
Ich habe Brustkrebs im Frühstadium, wurde operiert und bin 70 Jahre alt. Eigentlich möchte ich die Strahlentherapie der Brust nicht durchführen lassen. Welches Risiko gehe ich damit ein?
Das Weglassen einer Radiatio nach brusterhaltender Therapie bei älteren Patientinnen ab 65 Jahren mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom im Frühstadium ist grundsätzlich denkbar. Dafür sprechen aktuelle Studiendaten aus der PRIME-II-Studie (Kunkler ICH et al./N Engl J Med 2023).
Diese Studie der Universität Edinburgh untersuchte, wie sich der Verzicht auf eine Strahlentherapie bei 1.300 Frauen ab 65 Jahren mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs im Frühstadium langfristig auswirkte. Die Teilnehmerinnen hatten T1- oder T2-Tumoren (≤ 3 cm in der größten Ausdehnung) ohne Befall der Lymphknoten, waren brusterhaltend mit freien Schnitträndern operiert worden und erhielten eine Antihormontherapie. Die Patientinnen wurden nach dem Zufallsprinzip einer Bestrahlung der gesamten Brust (40–50 Gy) oder keiner Bestrahlung zugeteilt.
Die Ergebnisse zeigten Folgendes: Die Wahrscheinlichkeit eines lokalen Wiederauftretens von Brustkrebs innerhalb von 10 Jahren betrug 9,5 % in der Gruppe ohne Strahlentherapie und 0,9 % in der Gruppe mit Strahlentherapie. Obwohl lokale Rückfälle bei den Frauen, die keine Strahlentherapie erhielten, häufiger auftraten, war das 10-Jahres-Auftreten von Metastasen bei den Frauen ohne Bestrahlung nicht höher (1,6 % gegenüber 3,0 %). Das Gesamtüberleben nach 10 Jahren war in beiden Gruppen nahezu identisch und betrug 80,8 % ohne Strahlentherapie und 80,7 % mit Strahlentherapie.
Schlussfolgerungen: Wie schon aus anderen Studien bekannt, ist der Verzicht auf eine Strahlentherapie mit einem erhöhten Auftreten lokaler Rückfälle in der Brust verbunden. Das Weglassen der Bestrahlung hat jedoch keine nachteilige Auswirkung auf das Auftreten von Metastasen oder das Gesamtüberleben bei Frauen ab 65 Jahren mit risikoarmem, hormonrezeptorpositivem Brustkrebs im Frühstadium. Dies ist eine äußerst wichtige Studie, weil sie ältere Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs beruhigen kann, die sich aufgrund eines geringen Wiedererkrankungsrisikos und potenzieller Nebenwirkungen gegen eine Bestrahlung entscheiden. Wir hoffen sehr, dass Sie bei Ihren behandelnden Ärzten auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht und in den individuellen Entscheidungsprozess eingebunden werden.